TOM – Target Operating Model als Zielbild
Ein solches Zielbild wird oft auch als «TOM» bezeichnet – ein «Target Operating Model». Es handelt sich dabei um ein Modell, das einen zukünftigen Zustand darstellt und beschreibt. Dies kann ein Zielzustand eines neuen Produktes, eine Weiterentwicklung einer Dienstleistung oder auch ein ganzes Ökosystem sein. Abhängig von der Dimension des TOM sind darin auch interne oder externe Partner zu berücksichtigen und die Geschäftslogik darzustellen.
Das TOM dient somit dazu, eine strategische Entwicklung als Modell zu konkretisieren und mit Kolleginnen und Kollegen zu erarbeiten und zu überprüfen. Damit können eine Geschäfts- und IT- Architektur und ein breit abgestützter Umsetzungsplan entwickelt werden.
TOM beinhaltet mehrere Dimensionen
Im Entwicklungsprozess eines Target Operating Models sollten verschiedene Dimensionen diskutiert werden. Deshalb wird empfohlen, folgende Elemente in ein TOM zu integrieren:
- Strategischer Hintergrund und Zielsetzung
- Beteiligte Unternehmen, Partner und ihre Lösungen
- Darstellung des Geschäftsmodells, der Geschäftslogik, beispielsweise von der Kundenberatung über den Vertragsabschluss bis zur Abrechnung
- Adressierte Produkte, Dienstleistungen
- Relevante Organisationen, Applikationen und Schnittstellen
- Etappierung der Realisierung
Abbildung 1: Für den Entwicklungsprozess eines TOM’s haben sich in verschiedenen Vorhaben und in unterschiedlichen Branchen
fünf Schritte bewährt.
Für den Entwicklungsprozess eines TOM’s haben sich fünf Schritte bewährt. Diese Vorgehensweise ist in obenstehender Tabelle (Abbildung 1) entsprechend beschrieben.
Abhängig von der Diversifikation der Anspruchsgruppen kann es sinnvoll sein, das Target Operating Model in mehreren Ausprägungen bzw. Fokussierungen darzustellen. Denn der Informations- und Diskussionsbedarf ist im Verwaltungsrat anders ausgeprägt als im Kontext des Produktmanagements oder der IT-Architektur. Ein TOM sollte eine ansprechende Visualisierung aufweisen, damit es rasch verstanden wird und für die Anspruchsgruppen Orientierung schafft.
TOM eines Unternehmens mit Partnern als Beispiel
Das Target Operating Model in Abbildung 3 beinhaltet eine vereinfachte Darstellung eines Zielbildes mit folgenden Aspekten: Ein Unternehmen im direkten Kundenkontakt über unterschiedliche Kanäle arbeitet in der Wertschöpfung mit zwei Outsourcing-Partnern zusammen. Ein Partner ist für die Abwicklungsprozesse zuständig, der zweite Partner übernimmt die logistischen Aufgaben. In der Transaktions-Überprüfung werden RegTech- und FinTech-Komponenten verwendet. Ebenfalls in das TOM integriert ist der Daten- und Informationsfluss auf Ebene der Geschäftslogik, dies als Grundlage für die Ausgestaltung der Architektur.
Transformationale oder transaktionale Führung
Grosse Veränderungen mit breiter Wirkung erfordern die Integration und Motivation von vielen Beteiligten. Dabei ist es ratsam, einen transformationalen Führungsstil anzuwenden. Denn damit wird die Mitwirkung und Mitarbeit auf unterschiedlichen Ebenen und auch über Unternehmensgrenzen hinweg gefördert und gefordert. Die Umsetzung dieses Führungsstils wird durch die kombinierte Nutzung von Purpose und OKR («Objectives and Key Results») stark unterstützt, siehe dazu Standpunkt 2 vom Januar 2021. Insbesondere die Etappierung von grossen Vorhaben mit Verwendung eines TOM erfordert eine visionär orientierte und inspirierende Führung mit transformationalem Charakter. Als eine Art Gegenstück zur transformationalen Führung ist die transaktionale Führung positioniert. Sie bewährt sich in klassischen Vorgesetzten/Mitarbeiter-Verhältnissen oder in aussergewöhnlichen Situationen, wenn zentralistische Führung erforderlich ist. Dieser konservative bzw. traditionelle Führungsstil zeichnet sich durch klare Regeln, Strukturen und Ziele aus. Er wird auch als «Command and Control» bezeichnet.
Auf Basis unserer Erfahrungen ist die Realisierung eines Zielbildes oder eines TOM mit mehreren Etappen als Transformation zu gestalten.
«Damit eine Transformation gelingt, ist der Fokus auf Ergebnisse in machbaren Schritten zu richten. Für den Erfolg erforderlich sind das Engagement der Basis, Sponsorship von Management und Leadership sowie ein Transformationsteam, das die Reise aktiv gestaltet und orchestriert.»
Dr. Joël Krapf, Head Lean Portfolio & Agile Transformation, Migros Genossenschafts-Bund
Entwicklungsprozess eines TOM
In den folgenden Abschnitten wird die Erarbeitung eines Target Operating Models in fünf Schritten erläutert.
1. Strategiebezug und Zielsetzungen
Eine wichtige Basis für Veränderungen oder Projekte stellt die strategische Verankerung dar. Die strategische Verankerung verleiht einer Veränderungsabsicht die notwendige Legitimation und ordnet sie im Rahmen der Strategie ein.
Der strategische Hintergrund sollte deshalb nachvollziehbar aufzeigen, welche strategischen Stossrichtungen das TOM adressiert und welche Initiative(n) damit realisiert werden sollen. Die Diskussion der relevanten Zielsetzungen mit Bezug zur Zeitachse bildet ebenfalls eine wichtige Grundlage für die Ausgestaltung des TOM und eine mögliche Etappierung in der Realisierung.
2. Prozesse, Partner und Lösungen
Die Darstellung der beteiligten Unternehmen mit deren Partnern und ihren Rollen ermöglicht es, die vernetzte Wertschöpfung als Ganzes zu erfassen. Es wird verdeutlicht, wer die Kundenschnittstelle verantwortet und mit welchen Partnern für Abwicklungsaufgaben oder für Plattform-Services zusammengearbeitet wird. Auch der Einbezug von externen Service-Anbietern für Berechnungen, Daten-Überprüfungen, regulatorische Aspekte usw. wird dargestellt. Dadurch werden auch mögliche Outsourcing-Vertragsverhältnisse transparent dargestellt, was für die Gestaltung der Geschäftsprozesse und der Applikationen und Schnittstellen entsprechend von Bedeutung ist. Auch die Kombination von Produkten und Dienstleistungen zu Lösungen gewinnt zunehmend an Bedeutung, den Kunden sollen nicht einzelne Puzzlesteine angeboten werden, sondern funktionierende und passende Lösungen in Lebenssituationen.
3. Geschäftsmodell und Geschäftslogik
Die Entwicklung des Geschäftsmodells und der Geschäftslogik bilden für das Target Operating Model das Fundament. Es geht darum, die Value Proposition bzw. das Wertversprechen gegenüber den Kunden, das Geschäftsmodell und die grundlegende Geschäftslogik zu beschreiben. Zu beachten ist, dass ein Wertversprechen kein ausschweifender Satz sein soll, sondern eine knappe und präzise Formulierung. Damit wird das Versprechen für die Zielgruppe fassbar und einprägsam. Das Geschäftsmodell bringt die notwendige Ordnung in die Diskussion von Geschäftsideen. Als Methodik bewährt sich eine Struktur vergleichbar mit der «Business Model Canvas» von Alexander Osterwalder. Dadurch wird in einem Team entwickelt, wie sich das Geschäftsmodell zusammensetzt:
- Value Proposition oder Wertversprechen
- Kundenbeziehungen und Kanäle
- Partner, Ressourcen und Aktivitäten
- Kostentreiber und Ertragsquellen
- Kultur und Werte
Die Integration von «Kultur und Werte» stellt eine Erweiterung der Methodik von Alexander Osterwalder dar, sie hat sich in der Praxis bewährt, weil diese Softfaktoren für die erfolgreiche Realisierung von erheblicher Bedeutung sind. Die strukturierte Darstellung der Business Model Canvas wird anschliessend in eine Form mit integrierter Geschäftslogik gebracht. Diese Form stellt den Informationsfluss aus Sicht des Kunden dar, dadurch wird das Geschäftsmodell (be)greifbarer.
4. Organisationen, Applikationen und Schnittstellen
Die Weiterentwicklung des TOM durch die Geschäftslogik ermöglicht es, die beteiligten
Organisationen und ihre Applikationen zur Prozessunterstützung zu beschreiben. Damit
wird konkretisiert, womit die Daten von Kunden und Aufträgen erfasst und bearbeitet werden. Die Realisierung einer Omnikanal-Architektur mit einem konsistenten Kundenerlebnis im Dialog mit dem Kontaktcenter, der Kundenberaterin in der Geschäftsstelle sowie im Self-Service einer Smartphone-App gilt heute als Standard. Mit der Integration von Partnern in einem Ökosystemen nimmt die Komplexität einer solchen Architektur weiter zu. Es müssen verschiedene Benutzergruppen (Kunden, Kundenberater, Compliance, Abwicklung, Vertragsführung, Logistik usw.) mit unterschiedlichen Informationstiefen und Handlungsmöglichkeiten in durchgängigen Prozessen involviert werden. Mit einem Target Operating Model kann die dazu notwendige Übersicht geschaffen werden.
5. Etappierung und Planung
Die Realisierung von Omnikanal-Architekturen und Geschäftsmodellen mit Ökosystem wird typischerweise in Etappen angegangen, um den Elefanten in Scheiben zu schneiden. In dieser Etappierung ist das TOM ein nützliches Instrument, um den Überblick zu verschaffen und das Zielbild zu verankern. Gleichzeitig ermöglicht ein TOM auch die Hervorhebung von Prozessen, Funktionen oder Schnittstellen, welche in einer bestimmten Etappe realisiert werden. Somit unterstützt das TOM die Kommunikation, in welche Scheiben der Elefant geschnitten und welcher Nutzen wann geschaffen wird.
Zusammenfassung
Das Target Operating Model dient bei strategischen Veränderungen als Kommunikations- und Planungs-Instrument. Es eignet sich für Architekten aus dem Business- oder IT-Architektur-Umfeld, um Strategie-Umsetzungen zu konkretisieren und zu visualisieren. Die Entwicklung eines TOMs unterstützt auch die Diskussion einer akzeptierbaren Etappierung über mehrere Geschäftsbereiche oder Partner-Organisationen hinweg. Alle beteiligten Anspruchsgruppen bringen sich in den Entwicklungsprozess ein und deklarieren so, wann in ihrem Leistungsangebot welche Prozesse, Applikationen und Schnittstellen in welchem Umfang bereit sind. So wird das Wertversprechen (bzw. die «Value Proposition») für die Kunden schrittweise und auf Basis des erarbeiteten TOMs nachvollziehbar und steuerbar realisiert.
«Bei umfassenden Veränderungen, die viele Anspruchsgruppen involvieren, sind gemeinsam entwickelte Zielvorstellungen unabdingbar. Ein Target Operating Model ermöglicht die Entwicklung, Diskussion und Verankerung eines solchen Zielbildes. Dabei kombiniert es die Kunden‑, Prozess‑, Organisations- und System-Perspektive zu einer Gesamtsicht. Diese Gesamtsicht weist typischerweise eine hohe Komplexität auf, entspricht aber der Realität. Das TOM ermöglicht beispielsweise in einem Ökosystem, dass alle beteiligten Partner die Übersicht gewinnen und behalten. So erkennen die beteiligten Organisationen, welchen Beitrag sie für das Wertversprechen gegenüber den Kunden leisten.»
Stefan Lenz