
Purpose und OKR bieten Orientierung und Messbarkeit
Als Menschen haben wir das Bedürfnis, unser Wirken bzw. unsere Arbeit sinnorientiert zu gestalten und auf Ziele auszurichten. Schliesslich ergibt sich aus der Zielerreichung eine entsprechende Zufriedenheit und oft auch etwas Stolz. Noch grundlegender als die Zielstrebigkeit ist die Frage nach dem Sinn – dem «Purpose», wie dieser aktuell bezeichnet wird. Die jüngere Generation stellt diese Frage bewusst, während (schon etwas) ältere Personen dazu etwas mehr Distanz haben. Denn «Sinnstiftung» ist, je nach Denkschule, die Aufgabe von Vorgesetzten und von Managern und nicht Sache der Mitarbeitenden. Das war gestern so, ist heute anders.
In Dialogen mit erfahrenen Persönlichkeiten setzen wir uns mit den Veränderungen in der Arbeitswelt auseinander.
Mit Johannes Schläpfer (o4t Office for Training & Consulting GmbH) haben wir aktuell ein Gespräch dazu geführt.

«Wichtig ist auch, dass bei der Arbeit Freude und Spass, sprich das Emotionale, nicht zu kurz kommen und Fehler zugelassen werden. Auch das Lachen über sich selbst darf vorkommen. Für den Umgang mit ‹Purpose und OKR› ist dies sehr zuträglich und macht diesen richtig ‹rund.›»
Johannes Schläpfer,
o4t Office for Training & Consulting GmbH
Die Generationen «Y» (1980 bis 1995) und «Z» (1996 bis 2010), die in der Arbeitswelt zunehmend Aufgaben und Verantwortung übernehmen, hinterfragen eingeschliffene Muster und Abläufe. Sie stellen die Sinnfrage dort, wo bisher keine Zweifel geäussert wurden oder finden einen Zielvereinbarungsprozess nach «Management by Objectives » (MbO) eher altbacken bzw. etwas «old school».
Der Generationenwechsel in der Arbeitswelt wird noch einige Jahre dauern. So werden ab 2025 in Schweizer Unternehmen erstmals die «Baby Boomer» (1946 bis 1964) nicht mehr mehrheitlich vertreten sein. Umso mehr erfordert der Generationenwechsel einen Generationen-Dialog und ein gegenseitiges Verständnis. Denn was in der globalen Wirtschaft bis heute erreicht wurde, soll respektiert und zeitgemäss weiterentwickelt werden. Dazu braucht es keine «disruptiven Kräfte», sondern bewusste Evolution. Diese Weiterentwicklung überführt unsere heutige Arbeitswelt in das digitale Zeitalter, geprägt von neuen Arbeitsweisen wie «New Work» und Methoden der «Agilität».
Leadership und Führungsstil
Ein wichtiger Aspekt ist dabei, dass für diese Entwicklung der sogenannte transformationale Führungsstil angewendet wird. Dies bedeutet, viel stärker als Vorbild zu agieren und Teams inspirierend und motivierend zu leiten. Der sogenannte transaktionale Führungsstil mit direktiven Vorgaben hat nicht generell ausgedient, er soll selektiv eingesetzt werden, typischerweise in Krisensituationen. In Kombination mit dem transformationalen Führungsstil als «Leader» ist auch die Diskussion um den «Purpose» oder den Sinn angebracht. Mit einem «Purpose» schaffen wir Orientierung und Motivation für Menschen und Organisationen. Das Purpose-Statement soll dabei im Team entwickelt werden.
«Der ‹Purpose› motiviert uns, am Morgen aufzustehen und uns für das Unternehmen, das Team und das gemeinsame Ziel zu engagieren.»
Stefan Lenz, 360excellence AG
Purpose im normativen Rahmen
In der klassischen Lehre des strategischen Managements definiert ein Unternehmen den normativen Rahmen:
- Vision: Was?
Bild des Unternehmens in der Zukunft - Mission: Wie?
Auftrag zur Realisierung der Visio - Werte: Wer?
Eigenschaften und Verhaltensmassstäbe - Leitbild: Wie?
Rahmen bzw. formulierte Leitplanken
Mit dem Purpose-Statement beschreibt man:
- warum unser Unternehmen existiert
- welchen Zweck wir erfüllen
- welches Kundenerlebnis wir leisten
- wie wir mit Ressourcen umgehen und
- was wir für unsere Umwelt tun
- wie wir gesellschaftliche Aspekte respektieren.
Abbildung 1: Nach der Entwicklung des Purpose ist die aktive Thematisierung und dessen bewusste Anwendung in passenden Führungssituationen zentral. Damit wird der Purpose lebendig gehalten.
Eine inspirierende Formulierung für den «Purpose» kombiniert Vision und Mission, siehe Abbildung 1. Denn der Purpose erläutert, was erreicht und wie dies realisiert werden soll. Im Unternehmen orientiert sich der Purpose oft an der klassischen Organisation. In einem Projekt bzw. Programm wird organisations- und damit bereichsübergreifend ein Purpose formuliert.
Abbildung 2: Die Entwicklung und Sinnstiftung über den Purpose kann für unterschiedliche Arten von Organisationen eingesetzt werden.
Auch die Sinnstiftung für die Arbeit in einem Ökosystem mit unterschiedlichen Partnern kann unternehmensübergreifend mit einem Purpose untermauert werden.
Methode «Objectives and Key Results»
Für eine effektive Führung und «Thought Leadership» braucht es ergänzend zur langfristigen Orientierung am Purpose aber mehr. Schliesslich wollen Team-Leader die erbrachten Leistungen auch messen und überprüfen. Die klassische Methode der Führung über Ziele (Management by Objective, MbO) reicht dazu nicht. Auch die Zielvereinbarung mittels Zielen nach «SMART» ist zu wenig elastisch. Im transformationalen Führungsstil und in agilen Arbeitswelten erfolgt die Zielsetzung und die Messung der Zielerreichung durch die Teams. Der Intel-Manager Andy Grove wollte die agilen Arbeitsformen auch in das Management von Zielen integrieren. Deshalb entwickelte er die Methode «Objectives and Key Results» (OKR). Sie umfasst folgendes:
- Methodik auf agile Organisationsformen ausgerichtet
- Qualitative Ziele werden in den «Objectives» formuliert, mit den «Key Results» werden diese konkretisiert und quantifiziert
- Beide Elemente, also «Objectives» und «Key Results», sind damit verknüpft
- Ziele sind für alle Teams transparent
- Erreichung der Ziele und Trends werden ein- bis zweiwöchentlich validiert und der Stand dokumentiert
- Alle drei Monate werden die Ziele aktualisiert
- Überprüfung und Anpassung erfolgt kollaborativ und systematisch
Bei der Nutzung von OKR wird eine direkte Verbindung zu einem personenorientierten Bonussystem bzw. der «Compensation» nicht empfohlen. Der «Incentive» sollte auf die Arbeit, die Resultate und die Leistungen in einem Team ausgerichtet sein.

«Die Nutzung von ‹Objectives› und ‹Key Results› ermöglicht einen adäquaten Zielsetzungsund Steuerungsprozess für heutige Zusammenarbeitsformen. »
Team von 360excellence AG

«Die Nutzung von ‹Objectives› und ‹Key Results› ermöglicht einen adäquaten Zielsetzungs und Steuerungsprozess für heutige Zusammenarbeitsformen. »
Team von 360excellence AG
Leadership im Ökosystem mit Purpose und OKR
Die Festlegung oder Überprüfung von Zielen sowie der Beiträge von einzelnen Personen und Teams zur Zielerreichung wird mit den aktuellen Organisationsformen nicht einfacher. Im Entwicklungs- und Führungsprozess eines Ökosystems sollen Purpose und OKR ebenfalls kombiniert eingesetzt werden, siehe Abbildung 4. Diese Kombination ermöglicht eine adaptivere Führung als die klassische MbO-Methode, die auf Strategie und Jahresziele ausgerichtet ist.
Abbildung 4: Im Entwicklungs- und Führungsprozess eines Ökosystems sollen Purpose und OKR ebenfalls kombiniert eingesetzt werden.
Praktische Anwendung von Purpose und OKR
Ein Finanzdienstleister bietet Hypotheken über die Plattform eines FinTech an. Über die Plattform werden die Kundenberatung und die Finanzierung der Hypothek entkoppelt. Der Kunde erhält im Rahmen der Hypothekenberatung das beste Angebot der Plattform, da seine Finanzierungsanfrage über die Auktion auf der Plattform ausgeschrieben wird. Das Hypotheken-Geschäft mit dem Plattform-Modell wird als Ökosystem betrieben, die Rollenaufteilung im Netzwerk ist wie folgt definiert:
- Plattform für Beratung und Verkauf als Versteigerung
- Beratung und Verkauf von Hypotheken über die Kundenbetreuung
- Lösungsansatz als Paket in Kombination von Bank‑, Versicherungs- und Vorsorgegeschäften
- Finanzierung der Hypotheken durch unterschiedliche Partner
- Hypotheken-Abwicklung über Sourcing-Partner
- Reporting und Risikomanagement durch Finanzierer
Abbildung 5: Die Rollenaufteilung im Netzwerk des als Ökosystem betriebenen Hypotheken-Geschäfts.
Für dieses Ökosystem wurde folgender Purpose entwickelt und formuliert:
«Wir realisieren Wohnträume – vertrauensvoll, langfristig und zum besten Preis finanziert.»
Die «Objectives» konkretisieren den Purpose, siehe Abbildung 6:
- Wohnträume = Ganzheitliche Beratung mit einer 360°- Kundenperspektive
- Vertrauensvoll = Beziehungen aufbauen und aktiv pflegen
- Langfristig = Kunden auf dem Lebensweg begleiten
- Bester Preis = Geteilte, laufend optimierte IT- und Abwicklungskosten, tiefe Risikokosten
Gerade weil die beteiligten Partner eines Ökosystems unterschiedliche Beiträge leisten, entsteht über diesen Purpose die sehr wichtige, übergeordnete Orientierung. Als strategisches Führungsinstrument besitzt er eine zeitliche Relevanz von regelmässig drei bis fünf Jahren.
Abbildung 6: Mit den «Key Results» werden die einzelnen Elemente des Purpose messbar definiert.
Mit den «Key Results» werden die einzelnen Elemente des Purpose messbar definiert:
- 200 Geschäftsstellen haben 32 000 qualifizierte Kundenkontakte für Hypothekengeschäfte pro Jahr
- 10 bis 15% der Kontakte können als Geschäfte erfolgreich abgeschlossen werden
- 25% der Hypotheken ergeben ein Cross-Selling zum Vorsorgegeschäft
- 70% der Kunden empfehlen uns bzw. unsere Berater einer Person weiter
- IT-Kosten pro Hypothek sind nicht höher als 10 Basispunkte
- Abwicklungskosten pro Hypothek durchschnittlich bei 10 Basispunkten
- Risikokosten pro Hypothek durchschnittlich bei 30 Basispunkten
Zusammenfassung
Der Purpose ist als verbindendes Statement gemeinsam im Team zu entwickeln. Der dadurch formulierte «Sinn und Zweck» motiviert und begleitet das Team im Tagesgeschäft und ergibt das nötige «Wir-Gefühl». Die Visualisierung und das Begreifbarmachen durch die Nutzung von Plakaten, ausgewählten Symbolen und Gadgets macht den Purpose bewusst und gegenwärtig.
Die «Objectives» und die «Key Results» sorgen dafür, dass der Purpose fassbar und messbar ist. Die Team-Leader thematisieren den Purpose und die Zusammenhänge mit den Zielen und Verantwortlichkeiten in Meetings und für Reviews. Die «Key Results» sind auf unterschiedliche Funktionen oder Aufgabenbereiche in einer Organisation oder auf Rollen in einem Ökosystem ausgerichtet. Die regelmässige Auseinandersetzung der Teams mit ihren bereits erreichten Key Results bzw. den noch zu erreichenden Zielen erlauben, den «Raum für Verbesserungen» zu identifizieren, zuzuordnen und Verantwortung zu übernehmen. Die Diskussion, was «als Nächstes getan wird», lässt sich so für alle Beteiligten transparent, konkret und verbindlich gestalten.
«Für die Zusammenarbeit über mehrere Organisationen und Unternehmen oder mit unterschiedlichen Generationen sind auch zeitgemässe Führungsprozesse mit Zielvereinbarungen anzuwenden. Auch Seniorität und Autorität haben in der heutigen Führung ihren Platz, jedoch immer weniger aufgrund von Hierarchie, sondern auf der Basis von Respekt, Transparenz, Verständnis für das Ganze und Empathie. Mit der Sinnstiftung in Form eines Purpose und der Anwendung von aktuellen Zielvereinbarungs- und Messmethoden in Form von ‹OKR› entwickeln wir unsere Zusammenarbeit im Team weiter. Die Ziele orientieren sich dabei am Bedarf bzw. Potenzial unserer Kunden sowie unseres Unternehmens. So überprüfen wir, ob wir in den vorgenommenen Veränderungen vorankommen, entsprechende Ergebnisse erreichen und die Menschen Teil der Entwicklung sind.»
Stefan Lenz